Re: Lamellen (Unterscheidungs-Merkmal) frei oder angewachsen

#2
Servus Roland,

erstmal herzlich willkommen hier im Forum. Das mit den freien Lamellen ist so eine Sache - nicht alle Pilze, die als "mit freien Lamellen" beschrieben werden, haben unbedingt welche. Dazu aber später. Erstmal zum Erkennen von freien Lamellen. Schaut man auf die Lamellen und erkennt zwischen den Lamellen und Stiel Hutfleisch, ist es ja simpel. Be alten Dachpilzen ist das gut zu sehen, auch bei Riesenschirmlingen (da ist dann sogar das Hutfleisch um den Stiel tief eingesenkt). Schwierig ist es bei den Grenzfällen, z.B. junge Egerlinge. Ich schneide da den Pilz immer durch und schaue mit der Lupe seitlich auf den geschnittenen Stiel/die Lamellen. Man kann dann den Stiel auch etwas wegdrücken und sehen, ob die Lamellen irgendwie am Stiel angewachsen sind.

Macht man das, wird man sehen, dass bei sehr jungen Egerlingen die Lamellen auch angeheftet sein können, also ganz oben gerade noch den Stiel erreichen. Streckt sich das Hutfleisch, nimmt der Abstand zu.
Bei Amanita sind die Lamellen oft angeheftet und dann mit Zahn herablaufend, seltener ausgebuchtet und noch seltener sogar im rechten Winkel angewachsen (habe ich mal bei einem Grauen Wulstling i.w.S. gesehen und auch publiziert).
In der Literatur wird (leider) oft automatisch bei Amanita von "Freiblättlern" oder "mit freien Lamellen" geredet/geschrieben. Der Nelkenschwindling, der wirklich freie Lamellen hat bzw. haben kann, wird hingegen nicht als Freiblättler bezeichnet. Das trägt zur Verwirrung bei. Historisch kommt das von Ricken, der unter "Freiblättlern" die Pilze mit Sollbruchstelle zwischen Stiel und Hutfleisch verstand. Das hat zwar nichts mit dem Lamellenansatz zu tun, ist aber eben auch bei den wirklich freiblättrigen Schirmlingen, Riesenschirmlingen, alten Egerlingen usw. so der Fall.

Wenn du also mit der Lupe nachforschst, wirst du feststellen, dass manche "Freiblättler" keine freien Lamellen haben (müssen).

Liebe Grüße,
Christoph
Argentum atque aurum facile est laenamque togamque mittere, boletos mittere difficile est
(Silber und Gold, Mantel und Toga kann man leicht verschenken, schwer ist es aber, auf Pilze zu verzichten - Spruch von Martial)

Re: Lamellen (Unterscheidungs-Merkmal) frei oder angewachsen

#3
Hallo Christoph,
danke für die umfassende Antwort.

Folgende Fragen hätte ich da noch:
Offensichtlich ist die Lamelle/Trama, Träger des Hymeniums histologisch - so vermute ich - mit dem Hutfleisch verbunden, hat hier also seinen Ursprung.
Der Stiel ist selbiges ggf. nicht. Gibt es daher/somit eine definierte Grenzschicht (zB andere Zellen) zwischen Stiel und Lamellen, oder Stiel und Hutfleisch?
Ist ein Querschnitt hiervon einfärbbar und so dieser Übergang zu verdeutlichten?
Somit auch der Anwuchs oder die freien Lamellen ...
Welchen Stellenwert hat, dieses Merkmal in Bestimmungsschlüssel, ist es dann nicht zu vorrangig?

LG Roland

Re: Lamellen (Unterscheidungs-Merkmal) frei oder angewachsen

#4
Hallo Christoph,
danke für die umfassende Antwort.

Folgende Fragen hätte ich da noch:
Offensichtlich ist die Lamelle/Trama, Träger des Hymeniums histologisch - so vermute ich - mit dem Hutfleisch verbunden, hat hier also seinen Ursprung.
Der Stiel ist selbiges ggf. nicht. Gibt es daher/somit eine definierte Grenzschicht (zB andere Zellen) zwischen Stiel und Lamellen, oder Stiel und Hutfleisch?
Ist ein Querschnitt hiervon einfärbbar und so dieser Übergang zu verdeutlichten?
Somit auch der Anwuchs oder die freien Lamellen ...
Welchen Stellenwert hat, dieses Merkmal in Bestimmungsschlüssel, ist es dann nicht zu vorrangig?

LG Roland

Re: Lamellen (Unterscheidungs-Merkmal) frei oder angewachsen

#6
Servus Roland,

ich war auf der Bayerischen Mykologischen Tagung in Pfronten und daher nicht mehr hier... Nun zu deinen Nachfragen:

Grenzschichten zwischen Stiel und Hut kann es geben - z.B. bei Amanita, Agaricus, Lepiota usw. (Sollbruchstelle, gewöhnlich aus Kugelzellen aufgebaut) - und trotzdem können bei Amanita breit angewachsene Lamellen vorhanden sein. Also selbst das sagt nur, dass es eine Sollbruchstelle gibt.
Bei den Boletales gibt es sogar ein ausgesprochenes Caulohymenium, also ein Hymenium auf dem Stiel - unabhängig vom normalen Hymenophor.

Bei vielen Pilzen kann man wiederum Hut- und Stielfleisch und damit Hut und Stiel nicht sauber trennen - z.B. bei kreiselförmigen Fruchtkörpern. Meist haben die aber eh herablaufende Lamellen.

Die Sollbruchstelle ist ein wichtiges Kriterium, die Lamellenanwachsweise aber auch. So wird ein Agaricus nie herablaufende Lamellen haben. Es kann aber sein, dass sie jung noch den Stiel an der Spitze berühren. Manche Arten/Gattungen sind da variabel, andere kaum - insgesamt ist die Anwachsweise m.E. aber ein gutes "Grobkriterium".

Liebe Grüße,
Christoph
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