Schichtpilz vom Tag der Artenvielfalt

#1
Lieber Gernot,

ich studiere immer gerne deine überaus zahlreichen Fotos von Schichtpilzen hier in diesem Forum. Vielleicht kannst du mir mit deiner Expertise bei der Bestimmung des folgenden Pilzes weiterhelfen.

Der Pilz überzog mehrere liegende entrindete Stämme von Eichen an einem recht feuchtem Standort nahe eines Bächleins recht großflächig. Der cremefarbene ca. 0,3 mm dicke Schichtpilz zeigt makroskopisch keine besonderen Strukturen, Konsistenz relativ fest mit glatter Oberfläche, so als hätte jemand mit Malerfarbe über das Holz gestrichen.

Im Mikroskop zeigten sich folgende Strukturen:
Sporen ca. 6x3,5ym hyalin mit kleinen Tröpfchen, elliptisch, etwas asymmetrisch
Hyphensystem monomitisch, keine Schnallen, Hyphenbreite ca. 4-5ym, rechtwinkelige Verzweigungen
Lamprozystiden vorhanden, nicht sehr zahlreich
Basidien ca. 35x3-3,5ym
siehe Fotos

Bisher bin ich in der Bestimmung nicht wirklich weitergekommen und ich bin über alle Hinweis sehr dankbar.

Liebe Grüße,
Christian



P1012304.JPG
Sporen
P6050371.JPG
Basidien
P6050372.JPG
Hyphensystem
P6050373.JPG
Lamprozystiden
P6050374.JPG

Re: Schichtpilz vom Tag der Artenvielfalt

#2
Lieber Christian,

das schnallenlose und rechtwinkelig verzweigte Hyphensystem, das du beschreibst, ist charakteristisch für Phanerochaete. In Kombination mit der abgebildeten Zystide, sofern diese halbwegs repräsentativ ist, landet man am ehesten in der Gruppe rund um P. sordida. Zum Vergleich gibt's auf www.mycobank.org zahlreiche Abbildungen (direkt verlinken geht leider nicht), allerdings wurde diese Gruppe vor ein paar Jahren überarbeitet, sodass man zur genauen Bestimmung auch noch mit diesem Artikel vergleichen muss: https://www.researchgate.net/publicatio ... te_pallida.

Schöne Grüße
Gernot

Re: Schichtpilz vom Tag der Artenvielfalt

#3
Lieber Gernot,

vielen Dank für die Infos, die mir sehr weitergeholfen haben!
Hab gleich noch mal nachmikroskopiert und es passt eigentlich alles für Phanerochaete sordida. Innerhalb der gemäß dem von dir zitierten Überarbeittung der P. sordida Gruppe deuten die breiteren Sporen ebenfalls auf P. sordida. Da meine Messungen aber nicht in den exakten Zehntel ym Bereich gehen, lege ich es mal als Phanerochaete sordida agg. ab.

Noch eine andere Frage: Ich habe vor kurzem Xylodon flaviporus mit 3% KOH mikroskopiert. In KOH haben sich die Strukturen vollkommen aufgelöst sodass nach dem Quetschen des Präparates praktisch nichts übrig blieb. Habe es mehrmals versucht und immer wieder passierte dasselbe. Könnte dies ev. auch ein Bestimmungsmerkmal sein? Kann mich im Dunkeln erinnern, schon mal darüber gelesen zu haben. Jüngst ist mir das wieder bei einem sehr jungen Porling passiert, der noch keine Sporen hatte.

EIn paar andere nicht ganz unähnliche corticioide Pilze aus der letzten Zeit konnte ich zu meiner Überraschung ganz gut bestimmen.
Ein Ergebnis pilzarmer Zeiten und spannender als ich ursprünglich dachte. Damit ich nicht immer nur mit Bestimmungsanfragen die Pilzfotos dazu:

Phanerochaete velutina
P6020314.JPG

Phlebia (Phanerochaete) deflectens
P5190051.JPG

Phlebiopsis gigantea
P4230113.JPG




Mit besten Grüßen!

Christian
Zuletzt geändert von christian-ap am 08.06.2023, 09:18, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Schichtpilz vom Tag der Artenvielfalt

#4
Lieber Christian,

dass sich die Strukturen bei Xylodon flaviporus in KOH auflösen, ist mir neu. Ich habe das selber so noch nie beobachtet. Bei anderen Porlingen gibt es ähnliche Reaktionen, wobei sich meistens die Skeletthyphen auflösen – bei Cinereomyces lindbladii ist das z. B. sehr eindrucksvoll zu beobachten.

Schöne Rindenpilze zeigst du uns da! Ja, gerade in der pilzärmeren Zeit sind das wirklich sehr dankbare Studienobjekte. Die Schönheit liegt halt im mikroskopischen Bereich.

Schöne Grüße
Gernot

Re: Schichtpilz vom Tag der Artenvielfalt

#5
Lieber Christian,

super, dass du dich jetzt auch an die Rindenpilze wagst, die ja bei uns leider eher ein Schattendasein führen, aber meines Erachtens viel faszinierender sind als Blätterpilze. Und viele erweisen sich auch makroskopisch als Schönheiten, wenn man sich mal eingeschaut hat.

Weiter so!

Gerhard