Re: Vor dem großem Regen

#16
Hallo alle, also zu dem Problem bongardii versus haemacta: Ich schicke euch hier mal die "Unterseite" mit Stielansatz zwei haemactas und einer geprüften bongardii. Man sieht auf einen Blick, dass die Cervicolores eine ganz andere "Unterseite" haben - rauher, wie gröber geschnitzt, nicht glatt gehobelt. Hinzu kommen - das wird bei der Bestimmung von Inocyben oft vernachlässigt - die dicklichen Lamellen.
Also klares Votum meinerseits - vorausgesetzt, die Inocyben sind nicht durch Regen oder so total lädiert gewesen: die obrige Inocybe ist nicht haemacta, vermutlich bongardii - auszuschließen wäre nur eine aufgrund von schlechten Witterungsverhältnissen beeinträchtigte, daher struppige pisciodora.
Haemacta wächst übrigens zwar allermeistens bei Corylus, aber auch bei Carpinus.
Sonntägliche herzliche Grüße in die Runde, Ditte
Dateianhänge
haemacta-2.jpg
haemacta.jpg
bongardii-1.jpg

Re: Vor dem großem Regen

#18
1605Innviertel hat geschrieben:
04.11.2018, 10:29
Foto wollte nicht mit!Trametes cervina,US.jpg

Servus Heinz,

danke für deine Aufnahmen. Unterlegt mit einer Beschreibung wäre es von Anfang ein Leichtes gewesen, auf Climacocytys borealis zu kommen. Nur, den habe ich gar nicht nachgefragt. Christoph hat den anhand der Aufnahme 7) zuvor bereits im pilzforum.eu angenagelt. War auch keine Anfrage von mir, ich habe die 7) als Vergleich in einen Beitrag eingestellt. Ein Mitglied unseres Vereins hat den am Fundort auf Tyromyces kmetii bestimmt, und ich hab's geglaubt. So kam die Korrektur zustande.

LG
Peter
Zuletzt geändert von Habicht am 04.11.2018, 15:48, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Vor dem großem Regen

#19
Ditte hat geschrieben:
04.11.2018, 11:41
Nachtrag: sorry, ja eine lädierte cervicolor käme auch in Frage! Wollte ich noch sagen, habe ich dann vergessen.
D.

Servus Ditte,

freut mich, dass Du dir Zeit für diesen Fund nimmst. Haemacta hat von Dir bereits den Laufpass bekommen, auf Deiner HP beschreibst Du den Geruch von bongardii und bongardii var. cervicolor mit obstig duftend. Nach Erde, modrig riecht mein Fund, dass einem die Luft weg bleibt. Auch getrocknet, in den Pds wird der Geruch als einziges Unterscheidungsmerkmal angeführt. Eine Lamellenprobe habe ich mir trotzdem angesehen,

K800_IMG_2161.JPG

Pfuuh, da wirst fast benommen, so stark ist der Geruch. Basidien & anderen Details nachspüren werde ich nicht, ein Päckchen zur Post tragen könnte ich schon ...

LG
Peter

Re: Vor dem großem Regen

#20
Ich muss lächeln, lieber Peter, ja dann trags zur Post! Ich schau's mir dann an. An dem Geruch darf man sich nicht so festklammern, denn der ist ebenso variabel wie das Aussehen. Ich hatte schon pisciodoras (durch DNA anschließend überprüft), die überhaupt nicht rochen, welche, die duftig angenehm rochen und welche die nach altem Fisch rochen und welche, die nach Erde rochen.
Leider liegen die Mikromerkmale aller drei Arten dicht beieinander, ist nicht einfach. Und wenn die Fruchtkörper nicht mehr schön frisch sind und daher die unterscheidenden Makromerkmale verschwimmen, ist es manchmal richtig schwierig - da auch die Mikromerkmale variieren können. Na, ich seh zu, was sich machen lässt...
Inocybe cervicolor ist übrigens keine Varietät von bongardii, sondern sicher eine eigene Art.
Liebe Grüße, Ditte
P.S. das mit dem Geruch von cervicolor auf meiner Website werde ich gleich ändern, bzw. ergänzen, denn die riecht ja auch oft staubig erdig.

Re: Vor dem großem Regen

#21
Liebe Ditte,

dann werde ich morgen zu einem Paketshop traben. Ist mir nicht entgangen , dass es eine eigen Art ist, -----> '18 -20, Inocybe cervicolor (mycobank)'
Auf Deine Meinung mit dem Pilz in der Hand plus unterm Mikro freue ich mich,

LG
Peter

Re: Vor dem großem Regen

#22
Lieber Peter,
fein, dass Du noch einmal dort warst und teilweise nachgesammelt hast. Auch sehr gut, dass Du dich hinters Mikroskop begeben hast. Zu Aufnahmen 5-6: die Sporenform ist viel zu rundlich für Hypholoma, die passt eher für Gymnopilus, versuch noch einmal ganz genau zu schauen mit der Ölimmersion, vielleicht sieht du doch leicht raue Sporen und sie sollten ein wenig gelblich sein, das kann ich hier nicht gut erkennen, aber Farben und Bildschirme haben so ihre Tücken.

...und weil sie so schön ist, noch eine typische Trametopsis cervina, fotografiert von Thomas Bardorf.
Trametopsis cervina_Thomas_Bardorf_Kolbeterberg_DSCN9236.jpg
LG
Irmgard

Re: Vor dem großem Regen

#23
Liebe Irmgard,

die Sporen hatte ich auch unterm Hunderter, die als mässig warzig beschriebene Oberfläche habe ich als deren Inhalt interpretiert,


K800_IMG_2152.JPG

K800_IMG_2151.JPG

Anfängerfehler halt ...

Thomas Bardorf hat T. cervina sehr gut aufgenommen,

LG
Peter

Re: Vor dem großem Regen

#24
Lieber Peter, liebe Foristen, deine Pilze sind wohlbehalten hier angekommen, Peter - und ja: sie stinken echt das ganze Zimmer voll. Der Grund scheint mir zu sein, dass sie zu lange in frischem Zustand herumgelegen haben, das sieht man auch im Mikroskop. Aber die Identifikation war in dem Fall zum Glück einfach: Es ist Inocybe pisicodora.
Die Sporen sind überwiegend sehr groß, bis über 18 µm, und sehr breit (bis über 8,5 µm), die Zystiden aber recht kurz und wenig gewunden. Damit scheiden bongardii und cervicolor aus. Und was anderes kommt eh nicht in Frage.
Liebe Grüße, Ditte
P.S. Uff und jetzt weg mit diesen Stinkern...!!!

Re: Vor dem großem Regen

#26
iebe Ditte, danke für deine einfühlsamen Worte, bei dem kriegst Schnappatmung, Uff
der markante Geruch war von Anfang an da. Am selben Tag habe ich einen Hut zum Sporenabwurf eingeladen, unter Glas. Bis in der Früh hat das Stinkerchen ganze Arbeit geleistet, durch das Glas, eher aber durch den darunterliegenden Zettel hindurch, echt Pfuh. Den Rest habe erfreulicher Weise am Balkon liegend vergessen.

In deiner HP führst du I. pisciodora als Art
in der Mykobank lese ich Current Name: I. bongardii var. pisciodora,
Im Index Fungorum, Current Name: Inocybe bongardii (Weinm.) Quél., Mém. Soc. Émul. Montbéliard, Sér. 2 5: 319 (1872)
Synonymy:
Agaricus bongardii Weinm., Hym. à Gast. Imp. Ross. Obs. (Petropoli): 190 (1836)
Inocybe bongardii (Weinm.) Quél., Mém. Soc. Émul. Montbéliard, Sér. 2 5: 319 (1872) var. bongardii
Inocybe bongardii var. pisciodora (Donadini & Riousset) Kuyper, Persoonia, Suppl. 3: 41 (1986)
Inocybe pisciodora Donadini & Riousset, Docums Mycol. 5(no. 20): 5 (1975)

Noch einen schnellen Blick in die austria.mykodata.net,
3701. Inocybe bongardii (Weinm.) Quél. var. pisciodora (Donadini & Riousset) Kuyper
Duftender Risspilz (Fischgeruch-Varietät)

Danke, dass du dir den Fund unters Mikro geschoben hast. Cervicolor hätte dem Geruch, der in der Pds, Breitenbach/Kränzlin, Bd. 5 beschriebenen wird, entsprochen. Gerüche halt, ob obstig, fischig oder erdigmodrig sind eher kein hartes Kriterium.
Art, var. oder syn, wie soll ich das Pilzerl eintragen, in die Pilzliste?

LG
Peter
Zuletzt geändert von Habicht am 10.11.2018, 18:47, insgesamt 1-mal geändert.

Re: Vor dem großem Regen

#27
Lieber Peter, was für ein Wirrwarr, kann ich da nur sagen! Da hinken die Datenbanken mal wieder der Wissenschaft hinterher....
Herzlich, Ditte
P.S. Für mich war der Geruch eine Mischung aus stark modrig mit einer stechenden intensiven, sehr unangenehmen Duftnote.

Re: Vor dem großem Regen

#28
Nachtrag: Die Datenbanken können in diesem wie in vielen anderen aktuellen Fällen natürlich nichts dafür, dass sie hinterherhinken, weil entsprechendes Wissen einfach noch nicht publiziert wurde! Dass sie sich gegenseitig widersprechen (Mycobank und Index Fungorum) ist allerdings seltsam.

Re: Vor dem großem Regen

#29
Liebe Forenleute,

Pilze und Nomenklatur:

Es gibt drei große Repositorien, die vom Namenskommitee des Codes für die Registrierung neuer Pilztaxa und Typen zugelassen sind: Fungal Names, Mycobank und Index Fungorum.

" The decision by the Nomenclature Committee for Fungi to appoint (Art. F.5.3) Fungal Names, Index Fungorum, and MycoBank as repositories (Redhead & Norvell in Taxon 62: 173–174. 2013) was ratified (Art. F.5.3) by the 10th International Mycological Congress (May in Taxon 66: 484. 2017). "

Diese drei Datenbanken sollten sich halbjährlich gegenseitig abgleichen (so war es angedacht), was aber nicht immer einwandfrei funktioniert, bzw. gibt es halt auch unterschiedliche Meinungen in der Community, daher gibt es Auffassungsunterschiede auch in den großen DBs. Auch ist es bisweilen sinnvoll, mal etwas abzuwarten, ob sich die Auffassung einer Publikation durchsetzt bzw. zu prüfen, ob die in der Publikation verwendete Methode auch stichhaltige Ergebnisse liefern kann und ob die verwendete phylogenetische Berechnung in Ordnung ist. Mycobank wird derzeit von Konstanze Bensch sehr gut betreut, wenn man auf Verbesserungsmöglichkeiten aufmerksam macht und diese schlüssig darstellt, werden sie übernommen. Auch Paul Kirk vom Index Fungorum versucht einigermaßen aktuell zu sein, er hat jedoch derzeit zuwenig Zeit z.B. Species Fungorum mit der Intensität zu betreuen, die notwendig wäre, um alle Neuerungen abdecken zu können (Species Fungorum ist eine Subdatenbank des Index Fungorum, die sich bemüht, die Synonymie zu erfassen). Alle drei Repositorien sind in erster Linie eben Repositorien, d.h. Plätze, wo die Taxa hinterlegt werden, damit alle wissen, welche Namen schon verwendet wurden und damit Doppelvergaben desselben Namens vermieden werden können. In Mycobank ist es z.B. so, dass die Namen unter Umständen nicht gleich sichtbar sind, wenn zwar das Taxon schon dort hinterlegt ist, jedoch die Publikation noch nicht erschienen ist, dann kann zwar der Namen nicht doppelt vergeben werden, denn im Hintergrund ist er ja schon eingespeichert, aber für die Allgemeinheit ist er nicht sichtbar, sondern wird erst nach Erscheinen der Publikation freigegeben. Die Freigabe sollte durch denjenigen erfolgen, der den Namen hinterlegt hat. Das sind entweder die Autoren der Art selbst, oder Herausgeber von Zeitschriften. Über Fungal Names kann ich nichts sagen, denn das habe ich bisher noch nicht verwendet. Ein weiterer Gesichtspunkt der drei Repositorien ist es, dass sie keine Wertungen vornehmen, sondern eben einfach Verzeichnisse aller (un)gültigen Namen sind. Das bedeutet, dass die Vollständigkeit der Synonymie kein primäres Anliegen ist. Und bei der auch bei großen Institutionen wie KEW oder CBS partiell prekären finanziellen Situation ist es leider nicht möglich, weltweit alle Publikationen sofort zu screenen und einzugeben. Um für die Datenbanken die Eingabe zu erleichtern haben viele Zeitschriften mittlerweile ja ein Keyword System aus dem gleich ersichtlich ist, ob und wie viele Taxa in der jeweiligen Publikation beschrieben werden.
Fazit, auch in diesen großen Datenbanken gibt es Fehler, man kann die Einträge durchaus prüfen und hinterfragen, und man kann zu deren Verbesserung beitragen.
Viele der anderen kleineren DB richten sich dann bis zu einem gewissen Grad nach den großen und hinken naturgemäß ein wenig nach. Sie versuchen aber auch, selber Fehler zu vermeiden oder zu verbessern, arbeiten oft mit Spezialisten zusammen und erhalten dadurch Wissen, das anderen DBs wieder nicht zur Verfügung steht.
Ideal wäre es natürlich, wenn es nur eine große internationale DB gäbe, was auch bei einem der Nomenklatur-Kongresse zu erreichen versucht wurde, aber eben an diversen Befindlichkeiten scheiterte, daher gibt es drei. Andererseits ist damit auch eine gewisse Absicherung gegeben, falls eine der drei DBs davon mal ausfällt.

LG
Irmgard

Re: Vor dem großem Regen

#30
Liebe Irmgard, ganz herzlichen Dank für diese so aufwendige, informative und die Umstände klärende Antwort!
Angesichts der vielen vielen Änderungen, die sich derzeit aufgrund von DNA-Untersuchungen in so vielen Gattungen ergeben, haben die Verantwortlichen für die Datenbanken wahrlich alle Hände voll zu tun. Kein Wunder also, wenn sie zuweilen nicht nachkommen. Und außerdem sind eben viele Erkenntnisse noch gar nicht veröffentlicht, die Datenbanken können sie also auch nicht einarbeiten.

Liebe sonntägliche Grüsse an dich und alle Foristen, Ditte