Dezember-Pilze

#1
Hallo,

die zwischendurch etwas milderen Temperaturen reichen für das Wachstum mancher Rindenpilze, Porlinge und sonstiger Holzbewohner schon aus, und wenn man sich mit diesen beschäftigt, wird man immer wieder auch auf sehr interessante Arten stoßen. Da sie aber makroskopisch nicht viel hergeben, schreibe ich diesmal ein bisschen mehr dazu.

Athelia decipiens: Innerhalb der Gattung durch völliges Fehlen der Schnallen, 4-sporige Basidien und kleine (bis 6 µm lange) Sporen gekennzeichnet. Hier waren die Hyphen mit Kristallen besetzt, in der Literatur wird die Art oft ohne diese dargestellt. Liegender Laubholz-Ast.
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Athelia epiphylla agg.: Hier sind Schnallen vorhanden, allerdings nur an den basalen Hyphen, die auch dicht mit Kristallen besetzt sind. Die Basidien sind wieder 4-sporig, bis ca. 21 µm lang, die Sporen messen bis 8 µm Länge – dürfte also in die Gruppe um A. epiphylla gehören. Liegender Salix-Stamm.
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Botryobasidium aureum: Viel auffälliger als die Hauptfruchtform (hier in der Mitte) ist das pulvrige, gelbliche asexuelle Stadium. Da die HFF auch noch unreif war, gelang die Bestimmung nur über die großen (> 20 µm langen), zitronenförmigen Konidien. Liegender Salix-Stamm.
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Brevicellicium olivascens: Mikroskopisch gekennzeichnet durch die kleinen (< 5 µm Durchm.), globosen aber z. T. schwach unregelmäßig geformten Sporen und die ungestielten, oft utriformen Basidien, sowie die kurzzelligen subhymenialen Hyphen. Hängender Ast von Ulmus laevis (oben und mittig) bzw. Unterseite eines liegenden Laubholzastes (unten).
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Chondrostereum purpureum: Schon makroskopisch leicht zu erkennen, wächst gerne im Winterhalbjahr.
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Cristinia rhenana: Sehr schöner Nachweis. Die Sporen sind ± globos, bis 6,5 µm im Durchmesser (meist um die 5,5 µm), stark dickwandig und cyanophil. Die Basidien sind –40 µm lang. Das Vorhandensein der großen, z. T. offenen Schnallen an den Subikulumhyphen ist gemischt, manchmal sind sie vorhanden, etwas öfter fehlen sie. Der Fruchtkörper reagiert mit KOH violett, diese Farbe verschwindet relativ schnell wieder. Unterseite eines liegende Astes von Quercus robur.
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Dendrothele griseocana: Schon makroskopisch auffällig durch die gräulichen Fruchtkörper, die dicht mit kleinen, feinen, spitzen Auswüchsen bedeckt sind. Die Sporen sind bis 10 µm lang, subglobos, die Basidien sind 2-sporig. An Borke von Salix (oben) und Ulmus laevis (unten).
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Galzinia incrustans: Die urnenförmigen Basidien erinnern an Sistotrema, sie sind aber deutlich schlanker und 4-sporig. Die Sporen fallen durch ihre allantoide Form ebenfalls auf. Die Basidien sollten zudem eine innere Repetition zeigen, welche ich nicht hundertprozentig sicher beobachten konnte. Liegender Salix-Stamm.
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Gloeocystidiellum porosum: Häufige Art mit kleinen, schwach rauen, amyloiden Sporen und auffälligen Gloeozystiden. Liegender Fagus-Ast.
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Gloiothele lactescens: Noch einer mit Gloeozystiden aber größeren, glatten Sporen. Seitlich an stark vermorschtem Laubholzstrunk.
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Hyphodontia alutaria: Die Gattung Hyphodontia wurde mittlerweile ja stark zerlegt, H. alutaria ist aber weiterhin hier zu finden. Die beiden Zystidentypen – zylindrisch-kopfige und kleine, spitze, inkrustierte – sind im Mikroskop recht eindrucksvoll. Morscher Nadelholzstrunk.
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Lyomyces sambuci: Extrem häufiger und auch makro- wie mikroskopisch sehr variabler Pilz... Ist natürlich eine Charakterart für entrindete Holunder-Äste, kommt aber auch auf diversen anderen Substraten vor. Hier auf hängendem Laubholz-Ast (oben), Salix caprea (Mitte) und Stammbasis einer Esche (unten).
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Peniophorella pubera: Die spitzen, stark inkrustierten Zystiden verleihen dem Fruchtkörper einen bereiften Eindruck. Auch relativ häufig auf Laubholz, hier ein liegender Salix-Ast.
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Phanerochaete laevis: Ein weiterer Pilz mit spitzen und stark inkrustierten Zystiden, der seine Schönheit also erst im Mikroskop offenbart. Liegender Laubholz-Ast.
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Phlebiella tulasnelloidea: Makroskopisch unscheinbar, nur als dünne, gräuliche Schicht wahrzunehmen. Auch die mikroskopischen Strukturen sind sehr klein, jedoch durchaus auffällig aufgrund der Pleurobasidien und der (sub)globosen bis ellipsoiden, warzigen Sporen, z. T. mit suprahilarer Depression. Auf aufrechtem Salix-caprea-Ast (oben), liegendem Laubholzast (Mitte) und Ast von Prunus padus im Luftraum (unten).
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Radulomyces rickii: Es ist schon erstaunlich, wie wenige Fundmeldungen es von dieser Art gibt. Wird sie vielleicht erst in den letzten Jahren häufiger? Ich finde sie jedenfalls ziemlich regelmäßig auf verschiedensten Substraten (Laub- und Nadelholz, gerne auf Holunder und im Luftraum). Hier auf Sambucus nigra (oben), Laubholz (vielleicht auch S. nigra) (Mitte) und Clematis (unten).
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Re: Dezember-Pilze

#2
Zweite Hälfte...

Sistotrema octosporum: M. E. n. eine ziemlich häufige Art, die aber sicherlich gerne übersehen wird. Die Basidien haben mehr als 4 Sterigmen (6 beobachtet) und sind gattungstypisch urnenförmig, die ellipsoiden Sporen habe ich bis 6 µm Länge gemessen. Liegender, dicker Fagus-Stamm.
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Tomentella coerulea: Schwierige Gattung, bei der man um genaue Mikroskopie kaum herumkommt. Hier fehlen Zystiden, Schnallen sind vorhanden, die Sporen oft deutlich gelappt, – 9 µm lang. Auffällig sind die in KOH teilweise blaugrünlich gefärbten kollabierten Basidien, die Subhymenialhyphen sind tendenziell kurzzellig. Stark vermorschter Nadelholzstrunk.
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Trechispora caucasica: Für mich einer der spannendsten Dezember-Funde. Durch die folgenden Merkmale gut festgelegt: Sporen deutlich stachelig, meist einseitig abgeflacht bis nierenförmig gekrümmt. Konidien im Hymenium reichlich, variabel geformt, an dünnen Konidiophoren gebildet, meist mit Schnallenrest. Beim vorliegenden Material finden sich Kristalle an den basalen Hyphen, welche laut Literatur vorhanden sein oder fehlen können. Morscher Nadelholz-Strunk.
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Xenasma pulverulentum: Ein gutes Beispiel dafür, dass die mikroskopischen Merkmale je nach verwendetem Medium stark variieren können. Diese Art besitzt nämlich ein streifenförmiges Sporenornament, das sich in KOH auflöst – mikroskopiert man also nur in Kalilauge, wird die Bestimmung ausgesprochen schwierig. Die Pleurobasidien sind ein weiteres wichtiges Merkmal. Gefunden auf der Unterseite eines liegenden Laubholz-Astes.
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Xylodon nespori: An Xylodon könnte man sich oft die Zähne ausbeißen – nicht etwa aufgrund der reichlich vorhandenen Kristalle auf den Hyphenenden, sondern weil manche Aufsammlungen kaum sicher zu bestimmen sind. Bei X. nespori ist das zum Glück etwas einfacher, sofern typische Kollektionen vorliegen, dann ist die Art nämlich durch die schlanken, ellipsoid-zylindrischen Sporen und die relativ breiten Hyphenenden in den Zähnchen ganz gut festgelegt. Liegender Sambucus-nigra-Ast (oben), liegender Salix-Ast (unten).
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Xylodon quercinus: Auch hier ist die Bestimmung zum Glück nicht allzu schwer. Die Zähnchen sind relativ grob und die Sporen für die Gattung ziemlich groß (– 7 x 3 µm). Die Hyphenenden sind zum Teil kopfig, teilweise aber auch subulat. Liegender Laubholz-Ast.
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Exidiopsis effusa: Häufige Art auf entrindetem Buchenholz.
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Myxarium nucleatum agg.: Mittlerweile unterscheidet man hier mehrere Arten, ich tue mir mit der genaueren Bestimmung aber schwer, deshalb belasse ich es lieber mal beim Aggregat.
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Antrodia serpens: Ausgesprochen große Poren, meist ca. 1 mm im Durchm. Die Sporen sind boletoid, im Schnitt etwa 15 x 5,5 µm groß, die Basidien bis ca. 35 µm lang, so komme ich zu A. serpens. Liegender Salix-Ast.
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Cartilosoma rene-hentic: Wieder so eine stark in Ausbreitung begriffene Art, bei der es nur eine Frage der Zeit war, bis die ersten Funde in Österreich auftauchen. Sie wurde erst 2015 neu beschrieben, ist mittlerweile in Europa aber schon relativ weit verbreitet und mancherorts anscheinend ziemlich häufig. Man darf gespannt sein, wie es mit der Ausbreitung dieser Art weitergeht. Liegender Laubholzast (oben) und hängender Ast von Prunus padus (Mitte und unten).
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Ceriporia purpurea: Häufiger aber auch ziemlich variabler Porling. Es gibt ein paar ähnliche Arten, es ist also wieder einmal genaue Mikroskopie angesagt... Unterseite eines liegenden Fraxinus-Astes (oben und Mitte), stehender Cornus-Ast (unten).
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Xylodon flaviporus (= Schizopora flavipora): Im Feld hätte ich aufgrund der dünnen und eher hellen Fruchtkörper nicht an diese Art gedacht, sie ist aber äußerlich bekanntermaßen variabel. Liegender Salix-Ast.
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Xylodon raduloides (= Schizopora radula): Ich finde es bemerkenswert, dass ich diese Art im heurigen Winter schon mehrfach finden konnte. Sie wird sicher gerne mit Xylodon paradoxus (= Schizopora paradoxa) verwechselt. Liegender Laubholz-Ast.
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Arrhenia retiruga: Typischerweise ein Moosparasit, kann aber gelegentlich auch auf andere Pflanzenreste übergehen oder, wie hier, direkt an Holz wachsen – oder vielleicht ist über die Hyphen doch eine Verbindung zum Moos(-Protonema) gegeben? Auf Sambucus-nigra-Ast.
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Lachnella alboviolascens: Ein häufiger cyphelloider Basidiomycet, der aber immer wieder schön anzuschauen ist. Auf liegendem Salix-Zweig.
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Schöne Grüße
Gernot

Re: Dezember-Pilze

#3
Lieber Gernot,
wow, du warst fleißig! Hast so viele Rindenpilze angeschaut und gleich etliche seltene Funde dabei. Zum Rindenpilzanschauen komme ich zuwenig. Schöne Funde hat hier auch Gerhard, die auch noch in die DB aufgenommen werden in der nächsten Zeit. Danke auch für die ausführlichen Erläuterungen, sehr hilfreich! Glaubst ist Cartilosoma rene-hentic eingewandert oder eingeschleppt?
LG
Irmgard

Re: Dezember-Pilze

#4
Liebe Irmgard,

mittlerweile bestimme ich die Rindenpilze und Porlinge sogar recht gerne, da man eben immer wieder schöne Überraschungen erlebt. Da hilft natürlich auch, dass gerade zu den Porlingen heuer sehr gute Literatur erschienen ist.
Schwer zu sagen, was der Grund für die Ausbreitung von C. rene-hentic sein könnte. Nachdem sie erst vor so kurzer Zeit beschrieben wurde und sie anscheinend auch in den Herbarien kaum vertreten ist, könnte ich mir schon vorstellen, dass sie vor ein paar Jahren eingeschleppt wurde. Aber bei den Pilzen ist das natürlich sehr schwer zu beurteilen...

Schöne Grüße
Gernot

Re: Dezember-Pilze

#5
Servus Gernot,

bei Rindenpilzen ducken sich die meisten weg, da bin ich in guter Gesellschaft. 'aha' & 'so so' ist angebracht, bei deinen Funden. Weil's total fremd sind ----> no na ;.)

Du hast die Schönheit mancher Mikromerkmale erwähnt, vielleicht könntest du ab und zu eine Aufnahme dazu einstellen. Ein zusätzlicher, nicht zu unterschätzender Zeitaufwand wäre damit verbunden, schon.
Dann aber wäre meine Reaktion vermutlich 'pfoahhh' & 'wie geil ist den des'

LG
Peter

Re: Dezember-Pilze

#6
Servus, Peter,

Mikrofotos wären natürlich eine schöne Ergänzung, dazu fehlt mir jedoch momentan wirklich die Zeit. Aber wenn du die schönen Strukturen mal selber erleben und so, wie von dir beschrieben, bestaunen möchtest, geht das doch ganz leicht: Einfach mal ein paar Steckerl umdrehen, Beläge abschneiden und ab damit unters Mikroskop. Na ja, falls du dann auch noch gerne Namen zu den Pilzen hättest, vielleicht noch die eine oder andere Extra-Stunde einplanen... Aber gerade im Winter lenken einen ja sonst keine Schwammerl ab. :-)

Schöne Grüße
Gernot

Re: Dezember-Pilze

#7
Servus Gernot,

für die Namensfindung würde ich kaum die eine oder andere Extrastunde benötigen. Dafür würden eher Tage draufgehen. Netter Versuch, mich mit Steckerl ködern zu wollen.
Gerade im Winter lenken mich die Schwammerl ab, die getrockneten Morcheln und so. Und die Marzipanschwammerl von Neujahr wollen auch noch gefuttert werden.
Stackalan abschaben geht sich daher zeitlich hinten und vorne nicht aus, leider.

Mit welcher neuen Literatur arbeitest du aktuell die Rindenpilze ab? Nur so gefragt, ohne ernsthaftes Interesse, Kaufabsicht ...

LG
Peter

Re: Dezember-Pilze

#8
Servus, Peter,

für die Rindenpilze verwende ich hauptsächlich Bernicchia & Gorjón (Fungi Europaei 12) sowie den Klassiker schlechthin, The Corticiaceae of North Europe von Hjortstam et al. Letzteren gibt es hier online: https://www.mykoweb.com/systematics/lit ... tml#apm1_6. Zusätzlich ist die MycoBank eine wunderbare Quelle, da in dieser alle Beschreibungen und Illustrationen dieser beiden Werke (und anderer Quellen) bei den jeweiligen Arten auch online abrufbar sind.
Die Zeichnungen in TCoNE sind an Qualität kaum zu überbieten, dafür sind in FE 12 natürlich andere Arten enthalten bzw. ist die Taxonomie dort auf einem neueren Stand, daher ergänzen sich diese Werke gut.

Für die Porlinge hat sich 2020 einiges getan, insbesondere mit dem beeindruckenden Werk von B. Rivoire (Polypores de France et'Europe), aber natürlich auch mit Polypores of the Mediterranean Region von Bernicchia & Gorjón. In Kombination mit Poroid fungi of Europe von Ryvarden & Melo kommt man hier bei den Bestimmungen meist ganz gut ans Ziel. Sehr schön finde ich auch, dass die Bücher von Rivoire und Bernicchia & Gorjón Mikrofotos beinhalten, da diese einen anderen Eindruck vermitteln als Zeichnungen.

Schöne Grüße
Gernot

Re: Dezember-Pilze

#9
Lieber Gernot,

vielen Dank für die Literaturempfehlungen! Speziell mit den Porlingen möchte ich mich dieses Jahr auch mal näher auseinandersetzen. Die „Waldschwammerl“ sind in der letzten Saison sowieso etwas kurz gekommen.

Lg
cron